Kritische Betrachtung: BI-Limbachtal zerlegt Aussagen von VG-Bürgermeister Thomas Jung!

Interview zum Stand und zu den unterschiedlichen Positionen gegenüber der Sache um die Grundlagenbescheide im Kirner Land. Der Blog befragt den Vertreter der BI-Limbachtal, Herrn Carl Rheinländer.

Blog: Zum Problem mit den Grundlagenbescheiden gibt es mittlerweile mehrere Stimmen von Kritikern, wie auch von Verwaltungsseite. Für viele Betroffene ist es schwer geworden, bei den verschiedenen Argumenten den Überblick zu behalten. Manche fragen sich auch, ob ihre finanziellen Belastungen durch einen Widerspruch überhaupt gesenkt werden können. Was sagt die Bürgerinitiative Limbachtal dazu?

BI: Die schnelle Antwort wäre: Ja und Nein. Ja was die individuellen Kosten vieler Betroffener angeht, und Nein, was die Gesamtsumme von allen Betroffenen in der Verbandsgemeinde angeht.

Blog: Wie ist das zu verstehen?

BI: Es gibt hier zwei Aspekte. Der erste, der politische Aspekt ist: Die VG-Werke haben einen gewissen Finanzbedarf, der mit Beiträgen und Gebühren hereingeholt werden muss. Wie manche Leute vermuten, könnte der Bedarf natürlich auch viel zu hoch sein, aber das müsste die übergeordnete Verwaltungsaufsicht und vielleicht auch der VG-Rat aufgreifen und bewerten. Das wäre natürlich ziemlich kompliziert. Es bleibt uns der zweite, der verwaltungstechnische Aspekt, also die Frage, nach welchen Kriterien die einzelnen Betroffenen veranschlagt und zu Zahlungen verpflichtet werden. Diese Kriterien, die in der gültigen Entgeltsatzung von der Kommune selbst festgelegt wurden, können entweder gerecht orientiert sein und mit umweltschonender Wirkung, oder aber auch willkürlich und zu Lasten der natürlichen Lebensgrundlagen ausfallen.

Blog: Und wie kann der Bürger damit Geld sparen?

BI: Nun ja, indem einerseits nur Kriterien zur Anwendung kommen, die mit der tatsächlichen Nutzung der öffentlichen Anlage zu tun haben, also in den Kanal geleitete Schmutz- und Regenwassermengen, und eben nicht pauschal Grundstücksfläche und Geschossanzahl, und indem andererseits die Benutzungsgebühren verursacherorientiert berechnet werden und damit für die Leute steuerbar sind.

Blog: Die Verwaltung will ja alle Grundlagenbescheide nochmal überarbeiten. Sind dadurch Kostensenkungen zu erwarten?

BI: Man muss betonen, dass es in den Bescheiden ja nur um die wiederkehrenden Beiträge ging, und diese Beiträge sind nur der eine Teil der Abgaben für die Bürger. Über die Benutzungsgebühren, also den wichtigeren Teil, wurde ja noch nicht gesprochen. In den Grundlagenbescheiden wurde auch nur die beitragspflichtige Fläche, also nur einer von zwei Faktoren festgelegt, mit denen die Beiträge berechnet werden. Und auf diesen ersten Faktor bezieht sich ja der entstandene Streit, weil bei einigen Grundstücken nur ein Teil, bei anderen aber die gesamte Grundstücksfläche herangezogen wurde.

Blog: Und auf welche Berechnungsart könnte die Überarbeitung hinauslaufen?

BI: Das wissen wir noch nicht. Wenn man sich beispielsweise die Formulierung im Anschreiben der VG zu den im August 2022 verschickten Erfassungsbögen anschaut, könnte man meinen, die Sache solle auf eine, wie es hieß, „verursachergerechte Verteilung der Entgelte“ hinauslaufen. Es ging damals, wie es ebenfalls hieß, um „eine umfassende Aktualisierung der versiegelten Flächen auf den einzelnen Grundstücken“. Viele Bürger verstanden dies damals als positive Aktion der Verwaltung und füllten gerne die Tabellen aus. Doch der Teufel steckt ja bekanntlich im Detail, und so stand im Text damals, neben der „aktuellen“ und „tatsächlichen“ Inanspruchnahme des Kanalnetzes auch die „mögliche“ Inanspruchnahme, und dies lässt sich weitschweifend auslegen.

Blog: Es war ja damals auch von der Neuaufnahme unbebauter Flächen die Rede. VG-Bürgermeister Jung betonte jüngst gegenüber der Zeitung, dass diese Neuveranschlagung zur Entlastung der übrigen Grundstückseigentümer führt. Wie ist dies zu bewerten?

BI: Wir halten dies für ein Ablenkungsmanöver, das auch nach hinten losgehen kann. Erstens wird die Entlastung kaum ins Gewicht fallen. Auf wie viele bebaute Grundstücke kommt denn ein unbebautes? Auf vielleicht 20? Dann käme jedem Grundstückseigentümer höchstens ein Zwanzigstel zugute, und dies würde seine eigene Gebührenerhöhung im Schnitt nur um ein Zwanzigstel reduzieren. Zweitens sind unbebaute Grundstücke manchmal von hohem ökologischem Wert, was auch der unmittelbaren Umgebung direkt zugutekommt. Vielleicht sind sie verwildert oder haben einen alten Baumbestand, sind also sehr artenreich, oder sie bieten als Obstgärten Nahrungsmittel oder sie können als Wiese die Nachbarskinder zum Fußballspielen anregen. Dies alles darf man dann doch nicht pauschal mit hohen Gebühren bestrafen. Drittens sticht auch das Argument nicht, dass hier von den Eigentümern die Bebauung blockiert würde, wo eine Bebauung doch wünschenswert sei, das Grundstück quasi „auf Halde“ läge, wie es Bürgermeister Jung kürzlich ausgedrückt hat. Wie die BI nachgewiesen hat, ist die Wasserversorgung im Kirner Land aber längst nicht mehr nachhaltig. Mit anderen Worten: Es wird mehr Wasser verbraucht, als in den Böden nachgebildet werden kann. Folglich verschärft jeder Neubau, ob Privathaus oder Gewerbehalle, in unserer Region dieses Dilemma, weil er den allgemeinen Wasserverbrauch weiter erhöht. Man kann sagen, mit Blick auf die Situation der nachfolgenden Generationen, ist neu bauen auf unbebauten Flächen im Kirner Land zwar legal, aber verantwortungslos. Müsste für die Baugenehmigung gar eine nachhaltige Wasserversorgung nachgewiesen werden, wäre das Bauen in der VG illegal. Was dies für den Stand unserer Region im wirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen Regionen bedeutet, kann sich jeder selbst denken. Und Viertens ist es auch nicht mehr zeitgemäß, vor unbebauten Grundstücken Abzweige von der Haupt-Wasserleitung herzustellen, mit denen dann gerne die „Möglichkeit der Nutzung“ konstruiert wird. Solche stillen Abzweige, das weiß man heute, sind Quellen der Keimbelastung des Trinkwasser-Leitungsnetzes.

Blog: Braucht man denn überhaupt die wiederkehrenden Beiträge in den Abgabenberechnungen? Immerhin gibt es in anderen Bundesländern viele Kommunen, die alles über die Benutzungsgebühren, also den Wasserpreis regeln.

BI: Ja das wäre möglich. Vielleicht hätte hier wohl kaum jemand etwas gegen einen niedrig bleibenden wiederkehrenden Beitrag, der wirklich als Grundgebühr erhoben wird und der pro Haushalt berechnet ist. Nach der häufigsten Interpretation der Formulierung im Kommunalabgabengesetz (KAG) allerdings, ist strittig, ob der Wiederkehrende Beitrag für Fixkosten überhaupt verwendet werden darf. Die großen Geldbeträge könnten sicherer über die Verbrauchsgebühren erhoben werden, bzw. bezüglich der Regenmenge, die in den Kanal geleitet wird. Darüber hinaus könnte man die Gebühren für Frischwasser auch noch entsprechend dem Gesamtverbrauch jedes Haushaltes staffeln. Man könnte also einen Grundverbrauch, beispielsweise die ersten 25 cbm pro Person bei 2 Euro/cbm belassen, für die nächsten 10 cbm dann 3 Euro/cbm und darüber dann 5 Euro/cbm berechnen. So hatte die BI es in einem Diskussionspapier vorgeschlagen, das seit März 2023 den Parteien des VG-Rats und Herrn Werkleiter Stumm vorliegt. Die genannten Zahlen und Mengen kann man natürlich noch ändern, doch offenbar ist unser Papier in einer Schublade verschwunden.

Blog: In einer Stellungnahme zum Musterwiderspruch des Blogs hat Herr Stumm im vorletzten Blättchen die inhaltlichen Aussagen als grob falsch und nicht der Rechtslage in Rheinland-Pfalz entsprechend bezeichnet. Kann man das so stehen lassen?

BI: Auch diese Stellungnahme würde ich als Ablenkungsmanöver bezeichnen. Zur Unvollständigkeit der Bescheide habe ich ja schon gesagt, dass man die konkrete Zahl, also was jeder Grundstückseigentümer letztendlich zahlen muss, nur ausrechnen kann, wenn beide Faktoren bekannt sind. Der Grundlagenbescheid nennt aber nur den ersten Faktor und ist insofern unvollständig.

Blog: Und wenn man da nicht stutzig geworden ist, weil eben noch keine Summe in Euro genannt wurde, lässt man die Widerspruchsfrist verstreichen. Und dann kommt der zweite Faktor, also der Preis pro Einheit beitragspflichtiger Fläche, und jetzt ist es zu spät, um noch gegen den ersten Faktor zu widersprechen.

BI: Genau, dies haben wir auch in unserem Widerspruch bemängelt. So sollte man die Leute nicht behandeln. – Aber auch der zweite Punkt in Jochen Stumms Stellungnahme ist problematisch. Er verschanzt sich einfach hinter der „gefestigten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz“ und interpretiert die Urteile in seinem Sinne. Auch ändert er die Aussage im Musterwiderspruch des Blogs, wo es heißt: „Wiederkehrende Beiträge für die Möglichkeit der Inanspruchnahme … haben (seit KAG von 1996) keine Rechtsgrundlage mehr“, in die verkürzte Formulierung, wiederkehrende Beiträge hätten keine Rechtsgrundlage mehr. Bei der Gesetzesdeutung ist jedoch jedes einzelne Wort wichtig, und da kann man nicht einfach etwas wegkürzen. Zudem führt er noch den privaten Lobbyverband „Gemeinde- und Städtebund“ an, der in diesem Falle genau die entgegengesetzten Interessen vertritt, wie die der Bürger. Von dieser Verwaltungslobby stammte auch ursprünglich die abstruse Idee, die Leute schon „für die Möglichkeit der Anlagennutzung“ (im Unterschied zur Formulierung im KAG: „…, wenn durch die Möglichkeit ein Vorteil entsteht“.) zur Kasse zu bitten. (Genauso gut könnte man Kindergeld beantragen, weil man ja über die Möglichkeit einer Kindeszeugung verfügt) Die genannten OVG-Urteile behandeln erstens aber, gegenüber den vorliegenden, nur ähnlichen Fällen mit anderen Argumentationen, zweitens ist ein Verwaltungsgericht kein Hort absoluter Objektivität, sondern legt nur, mal so, mal so, Gesetze aus und drittens sind die zu Grunde liegenden Gesetze nicht zwangsläufig am Wohle der Gesellschaft orientiert.

Blog: Sie meinen wohl auch die berühmte „Kann“-Formulierung im KAG.

BI: Ja, die hat schon Hunderte Urteile vermurkst. Um das Ihren Lesern vielleicht noch zu erklären: Im gültigen KAG steht in §7: „Bei Einrichtungen und Anlagen, … bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, kann die Benutzungsgebühr für die Leistung so bemessen werden, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bietet.“ – Warum steht hier nicht längst „muss“, oder zumindest „soll“? – Das muss man sich mal vorstellen: Da könnte man als Regierung mit der Änderung eines einzigen Wortes im Gesetzestext eine Dynamik hin zu umfangreichem regionalem Umweltschutz anstoßen, würde den Handwerkern, Händlern und Dienstleistern, die Zisternen bauen, Rohre verlegen, Dächer anschließen, Flächen entsiegeln, Rasenpflaster liefern usw. Aufträge verschaffen und zudem noch die Wassersituation in der VG entschärfen, weil die Leute fürs Wassersparen bezahlt würden. Und: Nichts geschieht! Die Änderung dieses einen Wortes zu Anfang der 2000er hätte mehr umweltschonende Auswirkungen gehabt als das ganze leidige Heizungsgesetz der Grünen, aber die sitzen jetzt schon so viele Jahre in der Regierung unseres Bundeslandes, und es fällt ihnen nicht auf! Auch bezüglich der Müllgebühren und anderen Dingen hätten wir wesentlich verträglichere Zustände, aber, mit diesem elenden „Kann“ im §7 KAG haben die Verwaltungsgerichte seit nunmehr 28 Jahren Grund, all die vorausschauenden Leute abzuschmettern, die auf Verursachergerechtigkeit und Umweltschonung drängen.

Blog: Wir müssen hier mal beenden, das Interview ist schon länger geworden als geplant.  Vielleicht gibt es ja Hoffnung, dass der VG-Rat erkennt, welches faule Ei man sich mit der Zustimmung zur Muster-Entgeltsatzung ins Nest gelegt hat und alle Parteien drängen auf Neubearbeitung. Wäre die BI-Limbachtal bei der Erarbeitung einer besseren Satzung dabei?

BI: Ja natürlich, wir haben da auch schon Vorüberlegungen angestellt und Entwurfstexte geschrieben, nur wissen wir nicht, ob wir mit unserer alternativen Liste nach der nächsten Wahl noch im VG-Rat vertreten sein werden.

Blog: Wir wollen es hoffen. Danke Herr Rheinländer für das Gespräch.

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