Entgeltsatzung und kein Ende, eine letzte Einschätzung vor der Wahl von Carl Rheinländer.
Blog: Der Blog wird wohl nicht in Verdacht geraten Wahlwerbung zu betreiben, wenn er Sie Herr Rheinländer noch einmal abschließend vor der Wahl zum Thema Entgeltsatzung befragt. Die Bürgerinitiative Limbachtal tritt zur Wahl ja nicht mehr an und hat dann nach dem 9. Juni keinen direkten Einfluss mehr in den Entscheidungsgremien. Wie beurteilen Sie die Statements der letzten Tage dazu aus den anderen Fraktionen?
Rheinländer: Wir sehen eine Phalanx aus den drei größten Fraktionen, vertreten von Leuten wie Hans-Helmut Döbell von der SPD, Jörg Schäfer von der FWG und Klaus Tressel von der CDU, die die Abschaffung der wiederkehrenden Beiträge, also der WKBs, ablehnen. Ihre Begründung ist dabei auf ein allerletztes Scheinargument zusammengeschrumpft, auf die Belastung unbebauter Grundstücke.
Blog: Wieso handelt es sich hier um ein Scheinargument? Immerhin entstehen bei der Neuerstellung beispielsweise eines Abwasserkanals unter der Straße doch höhere Kosten, weil der ja auch an Grundstücken vorbei gelegt wird, die unbebaut sind. Und da dort nichts verbraucht wird, hat man über Gebühren keine Einnahmen.
Rheinländer: Ein Scheinargument ist es, weil die Parteienvertreter die Kosten unbedingt mit WKBs hereinholen wollen, und nicht begreifen, dass dies in mehrfacher Hinsicht nach hinten los geht. Außerdem müssen etliche Ausnahmen berücksichtigt werden.
Blog: Wie ist das zu verstehen?
Rheinländer: Es lassen sich mindestens vier Kriterien nennen, die dieses Scheinargument in Luft auflösen. Erstens haben auch die Kommunen in Bundesländern außerhalb von Rheinland-Pfalz, wo die Entgeltsatzungen ohne WKBs auskommen, ausreichend Möglichkeiten, um dieses Geld einzukassieren. In der Regel wird das mit Aufwandsumlagen erledigt, die dann anfallen, wenn das Grundstück den Anschluss an Kanal und Wasserleitung braucht. Oder: Bei der Erschließung neuer Baugebiete werden diese Kosten gleich auf die Grundstückspreise aufgeschlagen.
Blog: Sie meinen bei Privaterschließung wie auf dem Loh beispielsweise?
Rheinländer: Ja und nicht wie bei Baugebieten, wie etwa in Hochstetten, wo die Grundstücke auf Kosten aller Haushalte in der VG subventioniert und künstlich billiger gemacht sind. Dieses Argument von uns hat ja auch Herr Bursian verwendet. – Zweitens lassen sich mit WKBs nicht die unbebauten Grundstücke allein belasten, sondern nur entweder alle oder keine. Aus der behaupteten Entlastung bebauter Grundstücke wird dann aber eine Milchmädchenrechnung. Beispiel: Wenn wir etwa von 5 Prozent unbebauten Grundstücken in der VG ausgehen, wäre die Entlastung jedes einzelnen bebauten Grundstücks auch rund 5 Prozent. Wenn der WKB-Anteil dann etwa 200 Euro pro Grundstück beträgt, können die bebauten um 10 Euro entlastet werden. Die Eigentümer überdurchschnittlich großer Grundstücke müssen also 190,- Euro mehr bezahlen, um 10 Euro entlastet werden zu können. Klar, ohne die WKBs in diesem Beispiel wären die Gebühren etwas höher, aber das eben nur im verursachergerechten Rahmen.
Blog: Die Eigentümer recht kleiner Grundstücke und Bewohner von Mehrfamilienhäusern würden davon profitieren.
Rheinländer: Ja, aber das wäre eben ungerecht. – Drittens: Die Situation bei Grundstücken im Ort, auf denen kein Haus steht, ist völlig unterschiedlich. Einmal gibt es Grundstücke, auf denen können sie gar nicht bauen, oder nur mit großem finanziellem Mehraufwand, etwa steile Gelände, wie bei uns im Altenberg oder nasse Wiesensenken. Dann gibt es Grundstücke, auf denen seit Jahrzehnten eine Nutzung etwa als Garten, Obstbaumfeld oder Brennholzlager stattfindet. Andere Grundstücke haben gerade durch ihren Zustand einen hohen ökologischen Wert, von dem gerade die bebaute Umgebung direkt profitiert. Oder sie sind wichtig fürs Ortsbild. Fahren Sie doch mal durch Dörfer im Hunsrück oder der Pfalz, was macht denn den besonderen Reiz des Ortsinneren aus? – Was ist dies für ein bodenlose Übergriffigkeit, zu sagen, wir müssen die Eigentümer durch Kostenbelastung zum Bauen nötigen?
Blog: Ja, kann man einsehen. Die Entscheidung über das Ortsbild sollte dem Ort überlassen bleiben und nicht den Zwängen einer Satzung.
Rheinländer: Genau. Aber das vierte Argument haben die VG-Fraktionen am wenigsten verstanden: Im Juli 2022 ist ein neuer Passus ins Kommunalabgabengesetz eingeflossen, § 3, Absatz 2, Satz 8. Er wurde durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nötig und begrenzt die Zeitspanne, in der Beiträge eingefordert werden können auf 20 Jahre. Das bedeutet: Alle Grundstücke, bei denen der Kanal länger als 20 Jahre in der Straße liegt, brauchen keine WKBs mehr zu zahlen. Ja und das gilt auch für die bebauten Grundstücke. Allerdings gibt es dazu noch kein Urteil der Verwaltungsgerichte, eben weil die Neuerung noch ganz frisch ist.
Blog: Ja man kann schon ahnen, auf was sich die Arbeit der BI jetzt konzentrieren wird.
Rheinländer: Genau, wir werden jetzt, auch in Zusammenarbeit mit Widerständlern aus anderen Verbandsgemeinden, den juristischen Weg verfolgen.
Blog: Sie meinen etwa die VG-Kusel-Altenglan, wo Sie den BI-Vortrag in der vollbesetzten Fritz-Wunderlich-Halle gehalten haben.
Rheinländer: Ja. Die Folgen für die Einnahmesituation der Werke werden auch dort sehr unangenehm sein, aber was nützt es? Jene, die eine rechtzeitige politische Lösung, also den definitiven Beschluss für eine baldige rein gebührenbasierte Satzung boykottiert haben, wollen es ja nicht anders. Man wird dann bei uns aber auch zu prüfen haben, inwieweit man Leute wie Döbell, Schäfer, Dressel und andere für den finanziellen Schaden der Kommune haftbar machen kann.
Blog: Das klingt etwas verbittert. Bereuen Sie nicht, mit einer Gruppierung nicht wieder zur Wahl angetreten zu sein?
Rheinländer: Nein, wir waren zu wenige und konnten den großen Zeitaufwand mit dem Privatleben nur schwer vereinbaren. Wenn man politische Arbeit macht, muss man sich seine Kompetenz erarbeiten. Leider ist es inkompetenten Menschen nicht verboten, in die Politik zu gehen. Hier in der VG sehen wir im Kleinen, wie der Dunning-Kruger-Effekt unter den politischen Entscheidungsträgern den Menschen die bessere Zukunft vereitelt.