Schon gelesen? Die Veröffentlichung eines Leserbriefs im Öffentlichen Anzeiger hat kürzlich die Gemüter im Internet erhitzt. In dem Schreiben äußert sich eine Autofahrerin kritisch über das Parkplatzmanagement am Maino-Parkplatz und bezeichnet es als „Abzocke“. Die breite Resonanz in Form zahlreicher Kommentare pro und contra verdeutlicht die gespaltene Meinung zu diesem Thema. Dabei ist die Rechtslage eindeutig. Der Eigentümer hat aus gutem Grund ein Unternehmen mit der Überwachung von Parkzeiten und der Ahndung von Verstößen beauftragt, was völlig legitim ist. Schilder weisen auf die Rahmenbedingungen eines Privatparkplatzes hin, der fortwährend missbräuchlich benutz wurde. Wer gegen die Regeln verstößt, muss die Folgen tragen. Und? Die Leserbriefschreiberin, offenbar eine leidtragende Verkehrssünderin, hat sich eben nicht an diese Regeln gehalten, als sie die Parkzeit überschritt.
Statt das Knöllchen als reines Lehrgeld zu verbuchen, packte sie ihren Frust in einen Leserbrief, den der Öffentliche dann auch noch unter der Titelzeile „Abzocke ein milder Ausdruck“ abdruckte. Diese Veröffentlichung ist das einzig Schlimme an der Angelegenheit. Leserbriefe ermöglichen, einen Text direkt an den Autoren eines Sach- oder Zeitungstextes zu adressieren, zu dem der Stellung bezieht. Nur gab es keinen redaktionellen Artikel, auf den sich der Leserbrief hätte beziehen können. Die Zeitung hat ohne Sinn und Verstand einen Frustbrief abgedruckt. Aus heiterem Himmel, wohlgemerkt! Übrigens, kein Einzelfall. Über Stilfragen und Grenzen lässt sich zwar immer trefflich streiten, aber diese Freigabe war handwerklich schlecht gemacht. Ohne Bezug aus der Hüfte schießen, geht gar nicht! Warum bietet ein seriöses Blatt einer beleidigten Autofahrerin eine derart große Bühne? Zugegeben, Leserbriefe füllen das Blatt ohne eigenes Zutun, aber ist die Material-Not bisweilen wirklich so groß? Nochmals die Definition: Ein Leserbrief ist ein sachlicher Text in Briefform. In diesem Brief beziehst man sich auf einen aktuellen Text oder Artikel in einer Zeitung von Autoren und äußerst seine Meinung zum Text/Artikel.