Auf das Protokoll eine Glosse: „Das Schloss und sein Geländer“

Schloss Dhaun thront seit rund 800 Jahren über dem Nahetal. Es hat Kriege überstanden, Erdbeben, vermutlich auch Ritter, die mit mehr Wein als Verstand über die Zinnen torkelten. Und doch: Das Geländer fehlte. Bis jetzt. Der Zweckverband Schloss Dhaun hat nämlich entdeckt, dass Menschen theoretisch tief fallen könnten, wenn man sie lässt. Und was macht der moderne Mensch, wenn er der Tiefe ins Auge blickt? Er bestellt Holzlatten. Oder ein Metallgeländer mit statischem Nachweis, Sicherheitskonzept und Bestuhlungsplan. Weil man ja nie weiß, wann der nächste Besucher sein Picknick über die Brüstung werfen möchte. Im hinteren Gelände reicht ein „Durchlaufschutz“. Klingt wie eine Diätmaßnahme, ist aber nur die elegante Umschreibung für Bretter am Abgrund. Am Prometeus dagegen braucht es das volle Geländerprogramm. Wer hätte gedacht, dass Zeus’ Sohn einst nicht an den Felsen, sondern an der Bürokratie scheitern würde.

Die anstehenden Maßnahmen erschließen sich dem Zweckverband selbst nur bedingt – ein bisschen übertrieben scheint alles, aber gegen Vorschriften hat man eben keine Handhabe. Der Pächter darf nun entscheiden: Holz oder Metall? Billig oder edel? Geländer light oder Geländer deluxe? Die Ritter des Mittelalters hatten solche Sorgen nicht – die setzten einfach auf gesunden Menschenverstand und eine gewisse Schwindelfreiheit. Doch Tradition ist in der Verwaltung kein Argument. Was 800 Jahre lang funktionierte, muss dringend geändert werden. Denn im Jahr 2025 kann man sich einfach nicht mehr darauf verlassen, dass Besucher einfach nicht runterfallen.

Für alle, die sich die Absurdität im Detail anschauen wollen: Das Protokoll der letzten Sitzung des Zweckverbandes ist jetzt online. Dort ist minutiös vermerkt, wer wann was gesagt hat, wer welche Bretter bevorzugt und wie hoch das Geländer theoretisch sein müsste, damit die Bürokratie zufrieden ist. Wer es liest, weiß: Sicherheit, Verwaltung und Humor können durchaus Hand in Hand gehen – solange man sich festhält. Vielleicht ist das Geländer am Ende gar nicht für die Sicherheit da, sondern fürs gute Gewissen. Ein moderner Wall gegen die Klagewut, ein Symbol der Fürsorge. Ein Stück Metall, das ruft: „Wir haben alles getan!“ – selbst wenn sich die Aussicht dahinter nicht mehr ganz so frei anfühlt. Raus aus dem Lostopf ist offenbar eine Aufstockung der Schlossmauer. Die Variante hätte Charme versprüht und wäre den Wildgrafen gewiss recht gewesen.

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