Mitgefühl als Fassade – Abschiebung als politische Linie bei der Familie Alcantara/Rivera

Wenn sich die Kreisverwaltung inzwischen mehrfach genötigt sieht, das eigene Abschiebeverhalten öffentlich in der Lokalpresse zu rechtfertigen, dann ist das mehr als nur ein PR-Reflex. Dann zeigt sich meist: An der Kritik ist mehr dran, als man offiziell einräumen möchte. Wer wirklich mit reinem Gewissen handelt, braucht keine nachgeschobene Imagepflege. Vor diesem Hintergrund wirkt die öffentliche Inszenierung von Mitgefühl durch Landrätin Bettina Dickes kaum glaubwürdig. Was auf den ersten Blick wie aufrichtige Betroffenheit erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als strategisch platzierte Selbstvermarktung. Dickes betont, sich persönlich für einen weiteren Aufenthalt der betroffenen Familie eingesetzt zu haben – doch gleichzeitig erklärt sie unmissverständlich, es gebe keinerlei Ermessensspielraum und man handele strikt nach Recht und Gesetz.

Dieses rhetorische Muster ist nicht neu: Nach außen wird Empathie betont, im Vollzug jedoch dominiert Härte. Die Doppelstrategie – Anteilnahme verkünden, während man kompromisslos durchgreift – verleiht einer unnachgiebigen Abschiebepraxis einen Anschein von Menschlichkeit, den sie faktisch nicht besitzt. Denn tatsächlich wurden alle verfügbaren Spielräume bewusst ungenutzt gelassen – sowohl rechtlich als auch menschlich. Die Aussage, es handle sich um „eine Familie, wie man sie sich eigentlich wünscht“, wirkt daher wie ein Versuch, Mitgefühl zu inszenieren – gerade in dem Moment, in dem man es durch konkretes Handeln hätte unter Beweis stellen können.

Hinter der warmen Rhetorik steht das entschlossene Festhalten an einer Linie, die keinen Raum für Einzelfallgerechtigkeit lässt. Die Umsetzung von Bundesentscheidungen erfolgt mit bürokratischer Strenge – ohne jede erkennbare Anstrengung, individuelle Lösungen zu finden. Die vielzitierte „Verwaltungsdisziplin“ wird so zum Schutzschild gegen jede Form moralischer Verantwortung. Am Ende bleibt das Bild einer Verwaltungschefin, die öffentlich Anteilnahme zeigt, um menschlich zu erscheinen – während hinter verschlossenen Türen eine politisch gewollte Abschiebung durchgesetzt wird. Diese war keine zwangsläufige Folge des Gesetzes. Sie war gewollt – und wurde mit juristischem Dogmatismus und menschlicher Kälte vollzogen.

2 thoughts on “Mitgefühl als Fassade – Abschiebung als politische Linie bei der Familie Alcantara/Rivera

  1. Ich bin relativ entsetzt über diesen Artikel. Die Gesetzeslage und die Rechtssprechung sind eindeutig: die Familie aus El Salvador, die fast 10 Tsd km um den halben Erdball nach Deutschland um den halben Erdball gereist ist, ist nicht verfolgt und somit konnte ihr Asylantrag keine Chance haben. Eine freiwillige Ausreise erfolgte nicht, so dass die Abschiebung unabdingbar war. Dass die Landrätin Anteil an dem Schicksal der Familie nahm, ist m.E. weder geheuchelt noch gespielt, denn man kann auch Anteil nehmenan Dingen, die unabänderbar sind. Und warum bitte hätte die Familie hierbleiben sollen? Weil sie so nett sind, weil sie arbeiten wollten oder aus welchem anderem Grund? Asyl abgelehnt ist abgelehnt und es muss ausgereist werden. Nur weil jemand Anteil nimmt, kann das keinen Bleibegrund rechtfertigen!

  2. Danke für diese klare Analyse von und Stellungnahme zu dieser Situation. Dass solche Herangehensweise in grossen Städten wo Anonymität herrscht üblich ist, wundert mich nicht. In unserem Landkreis, in dem Einzelfallprüfungen und – entscheidungen möglich sind, ist es eine Schande, dass hier nicht im Sinne der Familie (Zitat „eine Familie wie wir sie uns wünschen“) eingegriffen wurde. Auf diese Art und Weise werden wir hier unattraktiv für Menschen, die wir dringend als Arbeits- und Fachkräfte brauchen. Von der menschlichen Grausamkeit nicht zu reden.

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