Entlokalisierung – wenn der „Öffentliche Anzeiger“ plötzlich nur noch „Lokal“ schreibt

Zeitungen leben von Nähe zu den Lesern, und Regionalzeitungen ziehen ihre Existenzberechtigung genau daraus: aus der Verortung, aus dem Gefühl, dass hier über uns berichtet wird, über „Kirn“, über „An Nahe und Glan“, über das, was unser Leben prägt. Doch wenn mit Auflage 1. Oktober nicht mehr „Kirn“ oder „Über Nahe und Glan“ in der Oberzeile steht, sondern nur noch das nichtssagende Wort „Lokal“, dann ist das kein Zufall. Es ist ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass die Zeitung sich von ihrer Leserschaft entfernt. „Lokal“ – das klingt so, als könnte es überall sein und nirgends. Es ist ein leeres Etikett, das in Mainz genauso passen würde wie in Mayen oder Meisenheim. Aber genau das ist das Problem: Der konkrete Ort, das Besondere, das Identitätsstiftende, verschwindet hinter einer sprachlichen Schablone. Was früher klar Kirn war, wird plötzlich austauschbar. Wer die Zeitung aufschlägt, bekommt nicht mehr das Gefühl: Das ist meine Stadt, meine Heimat, mein öffentlicher Raum. Stattdessen liest man einen Abschnitt, der genauso gut anderswo stehen könnte. Schlimm auch, der Verlag hält es nicht einmal für notwenig die Änderung zu erklären. Natürlich steckt dahinter ein Kalkül. Verlage sparen, redaktionelle Strukturen werden zusammengelegt, Produktionsabläufe verschlankt.

Ein einziges Wort wie „Lokal“ passt in jede Schublade. Praktisch, effizient, billig. Aber das, was den Unterschied macht, geht dabei verloren: die Verankerung in einer Region, die Nähe zu den Menschen, die Identität. Es ist nichts anderes als ein Akt der Entlokalisierung – und damit eine Entwertung des Lokalen. Gerade in ländlichen Räumen, wo Zeitung oft der letzte verbliebene Kitt des öffentlichen Lebens ist, wirkt dieser Rückzug fatal. Wer „Kirn“ aus der Oberzeile streicht, der streicht Kirn auch aus dem Selbstverständnis seiner Zeitung. Wer „Nahe und Glan“ nicht mehr nennt, macht aus einer lebendigen Region ein gesichtsloses „Lokal“. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Diese sprachliche Verarmung sendet ein klares Signal. Und das lautet nicht Nähe, sondern Distanz. Nicht Identität, sondern Beliebigkeit. Und das ist der eigentliche Skandal: Der „Öffentliche Anzeiger“ entfernt sich Stück für Stück von dem, was er eigentlich sein sollte – ein öffentliches Sprachrohr der Region. Was bleibt, ist ein Lokalteil ohne Ort, eine Zeitung ohne Heimat. Und die Leserinnen und Leser dürfen sich fragen: Wollen wir uns wirklich mit einer solchen Entlokalisierung abfinden?

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